Auch wenn Irmin Schmidt auf seiner neuen, schlicht „5 Klavierstücke“ benannten Platte mit wenigen, minimalistisch um so wirkungsvoller gesetzten Klaviernoten auskommt, ist er doch weit entfernt von der Minimal Music eines Terry Riley oder Philip Glass. Mit seinen über die Tonalität hinausgehenden Pianomeditationen, die bei aller Präzision auch Raum für Improvisation lassen, kehrt das letzte lebende Gründungsmitglied der Gruppe „Can“ vielmehr zu seiner frühen Vorliebe für sensible Klangfarben und Stille zurück.
Damals, in den sechziger Jahren, studierte er wie auch Holger Czukay in Köln bei Stockhausen, und wenn man weitere Einflüsse heraushören und benennen will, so reichen sie von Ligeti bis Cage, von Kurtág bis Feldmann, wobei Schmidt weitgehend ohne die trivialen, repetitiven Strukturen auskommt, es gibt kaum Wiederholungen.
Die Stücke entwickeln sich beim Hören überraschend, sind nur in ihrer Beschränkung auf das Notwendige minimalistisch, wobei die häufigen Pausen bei Irmin Schmidt mindestens ebenso wichtig sind, wie die gespielten Töne auf dem präparierten Pleyel-Flügel und dem unpräparierten Steinway.
Nachdem Spoon Records 2015 das gesamte Solo-Werk des Komponisten in einer 12 CD-Box veröffentlicht hat, ist diese Einzel-CD, die natürlich auch als hochwertige Vinyl-Ausgabe zu haben ist, ein hoch willkommener Einstieg in die Musik des Pianisten, Komponisten und Dirigenten, dessen Bedeutung auch jenseits von „Can“ allmählich wahrgenommen wird.
Die Stücke sind laut Pressetext direkt, ohne nachträgliche Edits oder Korrekturen eingespielt, manchmal sind Umgebungsgeräusche zu hören, ansonsten nur der jeweilige, präparierte oder unpräparierte Flügel. Ob man das hört, wenn man es nicht weiß, sei dahin gestellt, beim intensiven Zuhören entfaltet die Musik durch ihre Reduktion jedenfalls eine erstaunliche Emotionalität – obwohl oder gerade weil die folgende Note so gut wie nie die erwartete ist. Nicht zuletzt deshalb haben diese „5 Klavierstücke“ eben auch eine Jazzseele.
(zuerst erschienen in JazzPodium 2/2019)
Thomas Neuhauser